4000 Unterschriften für Erhaltung der Einkommen in unteren Lohngruppen

Gesamtmitarbeitervertretung überreicht Kirchenleitung und Arbeitsrechtlicher Kommission Unterschriftenliste zur Eingruppierung Härtefallregelung in Arbeit

Die Gesamtmitarbeitervertretung (GMAV) der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) unter der Leitung ihres Vorsitzenden Peter Stenger hat am 2. März 2007 in Darmstadt der Kirchenleitung und der Arbeitsrechtlichen Kommission (AK) eine Unterschriftenliste übergeben. Mit der Liste sprechen sich 3941 kirchliche Beschäftigte, Dienstellenleitungen und Kirchenvorstände dafür aus, die vor knapp zwei Jahren beschlossenen Einkommensreduktionen für Mitarbeitenden in den Lohngruppen E1 und E2 rückgängig zu machen.

Stenger nannte es ein "ehrgeiziges und schwieriges Vorhaben", zum ersten Mal ein eigenes Arbeitsvertragsrecht für Kirche und Diakonie zu erarbeiten. Er bescheinigte der AK, dass "in jeder Phase von jeder Seite das ernsthafte Bemühen stand, das optimale für die Menschen in Kirche und Diakonie zu erreichen". Stenger wies aber auch auf die Unruhe hin, die die Ergebnisse hervorgerufen hätten. Einige Mitarbeitende seien überrascht gewesen, dass es für sie mehr Geld gab. Andere seien "enttäuscht bis hin zur Verärgerung" über die Reduktionen gewesen. Besonders getroffen seien Familien, "je mehr Kinder umso mehr Abschmelzung". Neben dem "Wegfall der Familienkomponenten" seien die Mitarbeitervertretungen (MAV) am "meisten empört über den Stufen weisen Wegfall der Besitzstandszulagen in den beiden unteren Einkommensgruppen". Er sei "in einigen Fällen Existenz bedrohend". Betroffen seien meist Frauen.

Solidarität zwischen Kirche und Diakonie

Wilfried Knapp, Vorsitzender der AK und Vorstandsmitglied des Diakonischen Werks in Hessen und Nassau (DWHN) verteidigte die KDAVO als einzige Möglichkeit, Arbeitsplätze zu erhalten. Insbesondere in der Diakonie müssten die Kosten refinanziert werden. Vor Einführung der KDAVO sei die Differenz zwischen realen Lohnkosten und ihrer Refinanzierung durch öffentliche Kostenträger auf zwölf Prozent angewachsen. Immer mehr diakonische Einrichtungen seien deshalb gezwungen gewesen, Arbeitsbereiche wie Hauswirtschaft und Reinigung auszugliedern. "Diese Arbeitskräfte verdienen jetzt wesentlich weniger als mit der KDAVO", sagte Knapp wörtlich. Dies habe in den letzten zehn Jahren über 1000 Arbeitsplätze betroffen. Mit der KDAVO habe man das Outsourcing unmöglich gemacht und eine Arbeitsplatzgarantie festgeschrieben. Knapp appellierte eindringlich an die Solidarität zwischen Kirche und Diakonie und sprach sich für ein gemeinsames Arbeitsvertragsrecht beider aus. Zugleich sprach er sich für eine Härtfallreglung aus.

Härtefallregelung in Arbeit

Sabine Hübner, die stellvertretende Vorsitzende des Verbands kirchlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (VKM), der in der AK die Interessen der Arbeitnehmerseite vertritt, begrüßte die Unterschriftensammlung der GMAV. Der VKM habe der Abschmelzung der Besitzstände in den Entgeltgruppen E1 und 2 nur vor dem Hintergrund der finanziellen Situation im Jahr 2005 zugestimmt. "Oberstes Ziel" sei damals die "Vermeidung von Outsourcing und der Erhalt der Arbeitsplätzen" gewesen. Hübner verwies auf den Wunsch der Synode der EKHN. Diese hatte im November 2006 gebeten, für die betroffenen Entgeldgrupppen eine Härtefallregelung zu finden. Die AK habe dies aufgegriffen und arbeite an eine solchen Härtefallregelung. Der VKM fordere dabei, die Arbeitsrechtsregelung entsprechend zu korrigieren und "von einer weiteren Abschmelzung Abstand zu nehmen".

Die Leiterin der Kirchenverwaltung Oberkirchenrätin Sigrid Bernhardt-Müller zeigte Verständnis für den Ärger vieler Beschäftigter. Zugleich betonte sie die enge Verbindung der Kirche mit der Diakonie: "Denn Diakonie erfüllt einen Teil des kirchlichen Auftrags, wenn auch in eigenständigen Organisationsformen. Deswegen können die Folgen von verschlechterten Finanzierungsbedingungen nicht nur von einem Teil der Mitarbeitenden, nämlich denjenigen bei der Diakonie getragen werden." Bernhardt-Müller verwies darauf, dass die Finanzierung der diakonischen Arbeit vom Kostendeckungsprinzip zu Leistungsentgelten umgestellt worden sei. Im Bereich der untersten Vergütungsgruppen seien schon die BAT-Vergütungen überdurchschnittlich im Vergleich zum Markt und damit nicht mehr refinanzierbar gewesen. Um für diese Mitarbeitenden Arbeitsplätze bei Kirche und Diakonie zu erhalten und dem Trend zu outsourcing und Fremdvergabe entgegen zu wirken, müsse daher in diesem Bereich der Besitzstand schneller abgebaut werden, als bei den anderen Vergütungsgruppen. Bernhardt-Müller äußerte die Hoffnung, dass entsprechend der Anregung der Synode bald eine Härtefallregelung gefunden werde.

Hintergrund

Die Aktion bezieht sich auf einen Aspekt der Kirchlich-Diakonischen Arbeitsvertragsordnung (KDAVO), die im Oktober 2005 in Kraft getreten ist. Mit ihr haben sich EKHN und DWHN von den bis dahin geltenden Tarifregelungen des Öffentlichen Dienstes abgekoppelt und sich erstmals ein eigenes Arbeitsvertragsrecht gegeben.

Die KDAVO sieht neben zahlreichen anderen Regelungen, die dem TVÖD durchaus ähnlich sind, auch eine besonders schnelle Absenkung der Einkünfte im Bereich der E1- und E2- Einkommen vor. Für sie sieht die KDAVO, anders als der TVÖD, nur eine eingeschränkte Besitzstandswahrung vor. Die stufenweise Einkommensreduktion gerade im unteren Lohnbereich wird von allen Seiten als besonders schmerzlich empfunden. Strittig ist, ob sie wirtschaftlich nötig ist oder nicht. Sie soll ein weiteres Outsourcen dieser Arbeitsbereiche verhindern, denn angesichts des großen Kostendrucks im Sozial- und Gesundheitswesen würden viele Einrichtungen diese Bereiche sonst möglicherweise ausgliedern. In der Folge würden die Arbeitsbedingungen noch viel schlechter. So sieht es die Arbeitsrechtliche Kommission (AK), die für die Gestaltung des Arbeitsvertragsrechts in Kirche und Diakonie eigenverantwortlich zuständig ist. Die Unterzeichnenden der Liste zweifeln dies an und verlangen die Rückkehr zu den vor Oktober 2005 gezahlten Gehältern.

Betroffen sind im Bereich der EKHN 2400 Personen. Zehn Prozent von ihnen haben eine halbe Stelle oder mehr. 90 Prozent arbeiten stundenweise. Nur wenige sind in der untersten Entgeltgruppe E1 eingruppiert. 52 Prozent erhalten E2, 45 Prozent E2 und eine Zulage. In Bereich des DWHN sind circa 1600 Personen betroffen.