Die Burg Hohensolms

Von den Anfängen bis zur Nutzung als Evangelische Jugendburg im Jahre 1924

Vorbemerkung

"Burg Hohensolms, ein trutziger, massiver Bau ohne Schmuck und Zier, steht wie ein unzerstörbares Denkmal aus alter Zeit auf hohem Berg. In langer Vergangenheit hat sie schon manches gesehen und erlebt. Sie wurde daher schweigsam und verschlossen und ist sehr wenig zu bewegen, aus ihrem reichen, stürmischen Leben zu erzählen. Wenig und karg ist daher unser Wissen über ihre Geschichte." So beginnt eine "kleine Chronik" der Burg aus dem Jahr 1933, damals niedergeschrieben von einem Mitglied der Burgfamilie.

Über die Geschichte der Gebäude gibt es in der Tat fast keine urkundlichen Nachrichten. Dies hängt unter anderem damit zusammen, dass das gräfliche Archiv, welches sich früher in Hohensolms befand, im Jahr 1796 durch die französischen Revolutionstruppen zum großen Teil vernichtet wurde. Die Dokumente, die nach der Plünderung übrig blieben, wurden in der Folgezeit nach Lich gebracht und in das dortige Archiv eingefügt.

Nur an einer Stelle können wir eine Jahreszahl lesen: Über einem Fenster im Torweg neben dem Marstallgebäude ist mit kunstvollen Ziffern das Jahr 1580 vermerkt. Architekt Rohrbach will bei der großen Renovierung des Schlosses in den Jahren 1969 - 1970 im obersten Stockwerk an einem Fenstergewände die Zahl 1639 entziffert haben, ein Jahr, das tatsächlich in der Geschichte des Schlosses besondere Bedeutung hat.

So sind wir weitgehend auf Kombinationen, oft auch auf Vermutungen angewiesen, wenn wir uns ein Bild über die Baugeschichte machen wollen: Ausgangspunkt sind die Beobachtungen an den Gebäuden, an den frühesten Abbildungen und vereinzelte Bemerkungen in Dokumenten. Auch unsere Kenntnisse der allgemeinen Baugeschichte von Burgen und Schlössern lassen gelegentlich Rückschlüsse zu.

Mittelalterliche Wehrburg

Im ursprünglichen Zustand war Hohensolms eine Wehrburg. Die stärksten Befestigungsanlagen befanden sich auf der Südostseite: Eine fünf Meter dicke "Schildmauer" schirmte die Burg zum "Hals" hin ab. Hinter der Schildmauer lag der "Palas" mit den ältesten Wohnräumen. Er enthielt den Rittersaal, darüber weitere Räume in einem Obergeschoss. Nach Nordwesten schloss sich der Gebäudeteil an, von dem heute noch die starke Außenmauer als Ruine erhalten ist. Vermutlich war hier die "Kemenate" mit kleineren heizbaren Räumen. Zugänglich waren die Obergeschosse über steinerne Wendeltreppen. Zur ursprünglichen Burg gehörte auch ein Bergfried (Turm), der vermutlich im nördlichen Bereich des Burghofs stand. Die Befestigungsanlagen mit Toren und Türmen umschlossen außer der eigentlichen Burg auch das "Tal", die südwestlich unterhalb der Burg gelegene Ansiedlung der Burgmannen, Bediensteten und ihrer Familien.

Wohnschloss

Im Laufe der Zeit wurde die Wehrburg zu einem Wohnschloss umgestaltet. Die wichtigsten Ausbauarbeiten fallen in die Zeit, in welcher die Aussicht bestand, dass die alten Machtkämpfe durch einen gemeinsamen "Landfrieden" abgelöst würden. 1495 hatte der Reichstag die Gründung des Reichskammergerichts beschlossen. Streitigkeiten sollten künftig dort behandelt werden, sodass die bisherigen "Kleinkriege" aufhören konnten.

Vermutlich im Anfang des 16. Jahrhundert, also unter der Herrschaft des Grafen Philipp, wurde der alte Palas erweitert. Der Bau wurde bis zur Schildmauer vorgezogen und aufgestockt. Aus dem Jahr 1527 stammt der Vertrag mit einem Dachdecker, der den Auftrag erhielt, "den neuen bau ubber dem gewelbe zu Solms" vollständig zu decken. Ob das "gewelbe" der Rittersaal sein soll oder nur der überbaute Gang zwischen Palas und Schildmauer ("Tunnel"), lässt sich nicht mehr ausmachen. Vielleicht handelt es sich aber schon um das Dach, das sich noch heute auf dem Schlossgebäude befindet.

Ein Teil verfällt

Infolge der Teilungen gab es nach 1600 Schwierigkeiten mit der Burg. Streitigkeiten und Verhandlungen zogen sich über Jahre hin, bis Philipp Reinhard I. in einem Vertrag von 1622 drei Viertel der Burg erhielt. Er übernahm den "Neuen Bau" (auch "das hohe Haus" genannt), der von ihm und seinen Nachkommen benutzt, gepflegt und weiter ausgebaut wurde. Die Gebäude im Nordwesten mit ihren kleineren Räumen wurden dem Licher Grafen Philipp zugesprochen. Die Licher hatten kein Interesse an ihrer Erhaltung und ließen sie zerfallen. Vermutlich dienten die Mauern als Steinbruch, sodass in der heutigen Ruine wesentliche Teile der früheren Gebäude völlig verschwunden sind. Auffällig, sogar mit Schmuckbögen versehen, sind die Mauerreste der "Münze". In diesem Gebäudeteil muss sich bis in die Zeit um 1700 die Werkstatt befunden haben, in der die Grafen von ihrem Münzrecht Gebrauch machten.

Auch der Bergfried, der jahrhundertelang Wahrzeichen der Burg war, wurde ein Opfer der Vernachlässigung. Er verschwand. Von ihm sind heute keinerlei Spuren mehr zu sehen. Durch Grabungen könnte man vielleicht seine Fundamente nachweisen.

Residenz

Als Philipp Reinhard II. im Jahre 1638 auf Butzbach verzichten musste, blieb ihm nur Hohensolms als Residenz. Das führte zu einem weiteren Ausbau des Schlossgebäudes. Die erwähnte Jahreszahl 1639 an einem Fenstergewände im zweiten Obergeschoss markiert genau das Jahr, in dem Philipp Reinhard seinen Wohnsitz im Schloss nahm. Während seiner Regierungszeit folgten die Bauarbeiten, bei denen die frühbarocken Prunkräume eingerichtet und ausgestaltet wurden. Unter diesen Räumen ragte besonders das "Schwarze Gemach" mit seiner kostbaren Holzausstattung, der schönen Decke, den Säulen und Schnitzereien hervor (heute: Burgkapelle). Im Raum nebenan (heute: Tagesraum "Cordier") sind weitere Spuren des damaligen Ausbaus erhalten.

Rätsel gibt uns der achteckige "Eulenturm" gegenüber der Dorfkirche auf. Seine Bauweise zeigt, dass er nicht als Wehrturm gedacht, sondern zum Ausbau für Wohnzwecke bestimmt war. In eine Nische des jetzt ausgebauten obersten Umgangs ist ein altes Klosett eingebaut ("Abgang" zum Burghof hin). Ist es je benutzt worden? Es gibt keine Spuren eines früheren Innenausbaus. Offenbar blieb der Turm unvollendet. In manchen Beschreibungen der Burg Hohensolms wird er als "gotisches Bauwerk" bezeichnet. Manche Merkmale legen dagegen die Vermutung nahe, dass der Turm auch erst nach dem 30jährigen Krieg, also zur Zeit der Residenz gebaut und aus irgendwelchen Gründen nicht zu Ende gebracht worden ist. Zu den spätesten Bauteilen des Schlosses gehört das große schöne Treppenhaus mit der aufgehängten Holztreppe und dem geschnitzten Geländer. Es wurde vermutlich in den letzten Jahrzehnten vor der Übersiedlung der Grafen nach Lich (also um 1700) in seiner heutigen Form angelegt.

Haus für Sommeraufenthalte und Witwensitz

Graf Friedrich Wilhelm verlegte 1718 die Residenz von Hohensolms nach Lich, nachdem die dortige Linie mit dem Tode seines Vetters Hermann Adolf Moritz erloschen war. Das Schloss in Hohensolms wurde aber seitdem nicht vernachlässigt. Als Sommerresidenz, in der sich die gräfliche, später fürstliche Familie Jahr für Jahr etwa zwei Monate aufhielt, vor allem auch als Witwensitz, wurde das Gebäude weiter gepflegt.

Das "Schwarze Gemach" im zweiten Obergeschoss stand seit dem Tod der Gräfin Luise geb. zu Dohna im Jahr 1687 unbenutzt. Der benachbarte Festraum wurde Abstellraum ("Rumpelkammer"). Stattdessen stattete die gräfliche Familie in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts eine Zimmerflucht im ersten Obergeschoss als Wohnetage neu aus. Auffallend ist die geschmackvolle Holzvertäfelung der Fensternischen, die gleichzeitig zum Verdunkeln der Räume durch Klappläden zu benutzen ist. Die Zimmer wurden mit Öfen versehen. In der ehemaligen Wendeltreppe, die durch das neue Treppenhaus überflüssig geworden war, entstand eine Ofenkammer. Von dort aus konnten mehrere Öfen beheizt werden: Im grünen Saal und in den heutigen Büroräumen "Schütz" und "Händel". Nach der Fürstinwitwe Henriette Sophie, die in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts diese Zimmerflucht bewohnte, sprach man hier später noch von den "Henriettenzimmem". Zusammenhängend bewohnt waren sie noch einmal in den ersten Jahren unseres Jahrhunderts von der Fürstinwitwe Agnes und ihren drei Töchtern (1900-1904).

Als die Christdeutsche Jugend 1924 im Schloss einzog, behielt sich die fürstliche Familie die "Henriettenzimmer" weiter für den eigenen Gebrauch vor. Aber auch in vielen anderen Räumen stand fürstliches Mobiliar, hingen Bilder oder Gobelins an den Wänden und bestimmten die Atmosphäre des Hauses. Im Laufe der Zeit wurden viele dieser Gegenstände nach Lich gebracht. Nach dem Verkauf im Jahr 1969 sind nur noch ganz wenige Reste der alten Ausstattung im Haus zurückgeblieben.

Das Hofgut

Als die Burg Hohensolms erbaut wurde, musste auch das Essen für ihre Bewohner beschafft werden. Die Bevölkerung in der Grafschaft war zu Naturalabgaben verpflichtet, aber wir können annehmen, dass schon früh eine eigene Ökonomie, die der Burg angegliedert war, gegründet wurde.

Die vorhandenen Gebäude des Hofguts stammen allerdings aus neuerer Zeit. Die beiden Jahreszahlen am Torweg - 1580 und 1907 - markieren die Zeitspanne, aus der Scheunen, Ställe und Wohnungen stammen. In der fürstlichen Familie ist überliefert, dass der Kuhstall mit dem darüber befindlichen Scheunenboden ("Regenbogenhalle") in der ursprünglichen Schlosskapelle eingerichtet worden sei. Dies würde darauf hinweisen, dass dies Gebäude, das 1993 einen neuen Dachstuhl erhielt, ganz alten Baubestand enthält. Insgesamt aber stammen die ältesten Häuser des Hofguts aus der Zeit nach dem 30jährigen Krieg.

Sie sind in die vorgegebenen Mauerringe der Befestigung, des so genannten "Zwingers", eingepasst und haben deshalb durchweg eine lange und schmale Form. Aus der Lage am Berg ergeben sich zwei Ebenen der Hofanlage. An der Torwegwohnung führt eine Treppe von den höher gelegenen Gebäuden (Schafstall, Marstall, Torhaus) zum unteren, lang gestreckten Hof, an dem sich Kuh- und Schweinestall sowie die Wohnung des Verwalters befanden.

In besonderer Weise ragte unter den Gebäuden der Marstall, der unmittelbar unter der Burghofmauer errichtet wurde, hervor. Der sehr große Pferdestall (heute: Küche und Speisesaal) erinnert in seinen Ausmaßen an die Zeit der gräflichen Residenz. Damals gehörten Reit- und Kutschpferde zur Hofhaltung des Schlosses. In der neueren Zeit wurde nur noch der nordwestliche Teil des Stalles (die jetzige Küche) für die Zug- und Zuchtpferde des Hofguts benutzt. Der größere Teil des Stalles diente als Abstellraum.

Im Bereich um Hohensolms gehören heute etwa 700 Hektar Wald zum fürstlichen Besitz. Früher war er in zwei Revierförstereien, (Erda und Hohensolms) eingeteilt. Die Hohensolmser Försterwohnung befand sich im Marstallgebäude. Nach dem Verkauf im Jahr 1968/69 bestand nur noch die Revierförsterei in Erda. Inzwischen hat die staatliche Forstverwaltung auch die Bewirtschaftung der fürstlichen Waldungen übernommen.

Die Landwirtschaft umfasste früher etwa 200 Hektar. In dem bergigen Gelände war immer ein großer Teil Weideland. Trotzdem betrieb das Hofgut eine Mischwirtschaft mit Ackerbau, Schafherde, Schweinehaltung, Rinderzucht und Milchvieh. Seit den späten zwanziger Jahren war das Hofgut an die Vettern Brück verpachtet. Ab 1938 wurde die Bewirtschaftung von Verwaltern übernommen. Nach 1950 kam es zu Tauschaktionen. Das fürstliche Acker- und Weideland wurde stark reduziert. Stattdessen erhielt die fürstliche Verwaltung an verschiedenen Stellen Waldflächen hinzu. 1967 wurde die eigenständige Landwirtschaft in Hohensolms ganz aufgegeben. Seitdem ist das Ackerland verpachtet. Die Weidewirtschaft mit Jungvieh wird von Lich aus betrieben.

Otto Kammer