Umkehr des Protestantismus auf den Punkt gebracht

"Darmstädter Wort" zum 60. Jahrestag gewürdigt

In einem Brief an die Dekanate und Gemeinden der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) hat Kirchenpräsident Dr. Peter Steinacker auf den 60. Jahrestag des "Darmstädter Wortes" und seine Bedeutung für die evangelische Kirche hingewiesen. Die damals bereits umstrittene Stellungnahme markiere "ein neues Denken im deutschen Protestantismus nach 1945". Das "Darmstädter Wort betone "die Freiheit in Jesus Christus von einseitigen politischen, weltanschaulichen und kulturellen Optionen zugunsten des Engagements für die Sache der Armen und Entrechteten". Damit gehöre es bis heute zu den "grundlegenden Texten für unser kirchliches Handeln", schreibt Steinacker.

Anlässlich des 60. Jahrestags hat das Leitende Geistliche Amt der EKHN eine Erklärung herausgegeben. Darin wird das Darmstädter Wort gewürdigt. Es bringe "die Umkehr des deutschen Protestantismus und unserer Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau nach 1945 auf den Punkt. Nationalprotestantische oder gar militaristische Anschauungen haben in den Evangelischen Kirchen keinen Platz mehr." Kritisch merkt das LGA an, es sei "unverständlich" warum im Darmstädter Wort "nichts zu Verfolgung und Ermordung der Juden gesagt wird". Dennoch erinnere sich die EKHN dankbar daran.

"Wir sind in die Irre gegangen ..."

Im August 1947 hatte sich der Bruderrat der Bekennenden Kirche im Darmstädter Elisabethenstift getroffen. Unter Mitarbeit des ersten Kirchenpräsidenten der EKHN Martin Niemöller wurde am 8. August 1947 das "Darmstädter Wort" beschlossen. Es befasste sich mit der Verstrickung der Evangelischen Kirche in den NS-Staat und ging weit über die im Oktober 1945 veröffentlichte Stuttgarter Schulderklärung hinaus, indem es eine aktive Mitschuld der Kirche bekennt. Vier Abschnitte beginnen mit dem Satz "Wir sind in die Irre gegangen .." Die Autoren wollten den Tendenzen zu einer Restauration der Evangelischen Kirche entgegen wirken und einen Neuanfang markieren, indem sie die Sünden der Vergangenheit klar benennen und bekennen. Der Text war wegen seiner schonungslosen Selbstkritik schon damals umstritten. Die Evangelische Kirche in Deutschland konnte sich nicht dazu durchringen, ihn zu einem ihrer grundlegenden Texte zu machen. Er entfaltete aber in der DDR, insbesondere in der dortigen Friedensbewegung, die sich unter dem Spruch "Schwerter zu Pflugscharen" scharte, eine nachhaltige Wirkung.